Unabhängig davon, ob euer Forschungsprojekt zu unseren Thesen der Beschleunigung und des Flexibilitäts-Gebots passt, freuen wir uns, wenn ihr sie uns vorstellt und entlang unserer Fragestellungen kritisch hinterfragt.
Der Arbeitskreis Umwelt und Protest des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung trifft sich Ende April zum zweiten Mal und freut sich über Interessierte und Neueinsteiger*innen – gerne auch mit Beitrag.
Beim ersten, konstituierenden Treffen des AK Umwelt + Protest im letzten Jahr haben wir gemeinsam festgehalten, dass der Arbeitskreis Umwelt + Protest seine Berechtigung hat. Wir haben uns ein breit gefächertes Themenspektrum einander vorgestellt. Unsere grobe Rundschau der umweltsoziologischen und -politischen Protestforschung zeigte eindrücklich die Relevanz der Wechselwirkungen zwischen Gesellschaft, Umweltbewegtem, Transformation und Protest für eine umfassende Gesellschaftsanalyse.
Seit spätestens den letzten fünf Jahren durchläuft die Gesellschaft einen ökologischen Turn, sichtbar an der steigenden Konsumkritik in Ausstattung, Ernährung, Bekleidung und Mobilität, aber vor allem an der Qualität der Protestereignisse rund um das Thema Energie und Klima. Politische und meteorologische Ereignisse liefern sich einen Schlagabtausch. Zunehmende Sturmschäden, den Klimawandel leugnende Präsidenten und damit kokettierende rechtspopulistische deutsche Bewegungen, gegen Staaten klagende Energiekonzerne, ausufernde El Niños, umstürzende Windkraftanlagen und gefeierte Klimagipfel bringen Bewegung in die Bewegungen. Alte Bewegungen wie die Anti-Atom-Bewegung bekommen Kinder, zum Beispiel die Degrowth-Bewegung oder die durch aktivistische Großevents wachsende Dekarbonisierungsbewegung “Ende Gelände“. Legen wir einen zunehmenden und menschengemachten Klimawandel zugrunde, so wird die Unumkehrbarkeit der gesellschaftlichen Resonanz offensichtlich. Auch kann das Tempo des ökologischen Turns noch zunehmen. Das stellt uns als Forscher*innen vor große Herausforderungen:
Der Anspruch einer Gesellschaftsanalyse, die nicht nur reflexiv, sondern auch zeitgeistig Ergebnisse liefert, wird auf die Probe gestellt. Sozialwissenschaftliche Forschung kann vereinzelt schnell und flexibel reagieren. Doch in der Regel ist sie schwerfällig und wird obendrein behindert von langwierigen Finanzbeantragungsprozessen und darüber unbeweglich festgelegten Forschungsschwerpunkten. Wenige kurzfristige Demonstrationsbefragungen mit zum Teil großem ehrenamtlichem Engagement bilden eine seltene Ausnahme in der Bewegungsforschungspraxis. Die Rückkopplung von Forschungsergebnissen in umweltpolitische Diskurse findet nur verhalten statt.
Der Fokus unseres Frühjahrstreffens soll die skizzierte defizitäre Forschungspraxis aber vielleicht auch einige Lichtblicke bilden. Wir möchten uns vor allem auf methodische und forschungspraktische Fragen konzentrieren:
- (Wie) erforschen wir agile Umweltproteste und damit einhergehende gesellschaftliche Veränderungen?
- Welche Erhebungsmethoden sind dazu besonders geeignete Werkzeuge?
- Welchen Organisierungsgrad und welche neuen Tools braucht die Forschungscommunity, um schnelllebige, bundesweite oder internationale neue Umweltbewegungen adäquat zu erforschen?
- Welche Kanäle nutzen wir zur Rückkopplung unserer Ergebnisse in die Gesellschaft?
- Bis wohin geht unsere Forschungsneutralität, wenn es dem Planeten an den Kragen geht?
Das nächste Treffen findet am 22. April 2017, ab 10:00 Uhr in der Bibliothek des Göttinger Instituts für Demokratieforschung (Weender Landstraße 14) statt.
Bitte schickt Eure Ideen, Diskussionsanregungen und Fragen auf Grundlage der oben skizzierten Herausforderungen in Form eines kurzen Abstracts (500-1000 Wörter) bis zum 27. März an:
Juliazilles [at] web.de oder j.ballenthien [at] posteo.de