Projekt

Zwischen Verwaltungsobjekt und handlungsfähigem Subjekt

Projekttitel: Zwischen Verwaltungsobjekt und handlungsfähigem Subjekt. Raumkonstituierung, Subjektivierungsprozesse und Handlungsfähigkeit in der bundesdeutschen Flüchtlingsunterbringung
Beteiligte Institutionen:

Zentrum Technik und Gesellschaft, TU Berlin | Projektwebseite

Finanzierung: Fritz-Thyssen-Stiftung
Beteiligte Wissenschaftler*innen: Dr. Judith Vey (Projektleitung)
Methoden: Multimethodisches Vorgehen

Zusammenfassung

Über 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht – so viele wie seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr. Allein 2014 wurden rund 14 Millionen Menschen zur Flucht getrieben. Nur ein Bruchteil dessen erreicht Europa und Deutschland. In den letzten Jahren ist die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland stark gestiegen, nachdem sie 2008 auf ihren Tiefstwert von 28.018 Erst- und Folgeanträgen gesunken war. Diese gestiegene Zahl der Asylsuchenden stellt die deutsche Gesellschaft vor neue Herausforderungen.

Während ihres Asylverfahrens wird den in Deutschland Schutz suchenden Menschen eine Unterbringungen zur Verfügung gestellt. Aufgrund der stark gestiegenen Antragszahlen kam es spätestens 2015 vielerorts zu Versorgungs- und Unterbringungsengpässen. Wurden infolge der Flüchtlingsprotestbewegung von 2012/2013 die Unterbringungsbedingungen und die Perspektive der Geflüchteten noch im öffentlichen Diskurs thematisiert, rückten sie mit der Infrastruktur- und Verwaltungskrise 2015 kontinuierlich in den Hintergrund.

Die Frage, wie die Unterbringung, Versorgung und gesellschaftliche Teilhabe der Geflüchteten gestaltet wird, ist für eindemokratisches Gemeinwesen jedoch von zentraler Bedeutung. In den Flüchtlingsunterkünften entsteht ein spezifischer Sozialraum, der die Identitäten und die Handlungsfähigkeit der BewohnerInnen maßgeblich beeinflusst. Aus diesem Grund steht in diesem Forschungsprojekt die Innenperspektive der Geflüchteten auf ihre Unterbringung im Vordergrund.

Das Projekt umfasst folgende zentralen Fragekomplexe:

  1. Raumkonstituierung: Welche spezifischen Räume werden im Kontext der Flüchtlingsunterbringung erzeugt
  2. Produktion von Subjektivitäten: Welche Typen der Subjektivierung werden durch die spezifische Art der Raumkonstituierung produziert?
  3. Generierung von Handlungsfähigkeit: Wie wirken sich Raumkonstituierung und Subjektivierungsprozesse auf die Handlungsfähigkeit der Geflüchteten aus? Welche Strategien wenden die Geflüchteten, das Heimpersonal, die Lokalbevölkerung und zivilgesellschaftliche AkteurInnen an, um Handlungsfähigkeit zu erweitern?

Die ersten beiden Themenkomplexe der Raumkonstituierung und Subjektivierung bilden die Grundlage für die Beantwortung der dritten Frage nach der Handlungsfähigkeit der Geflüchteten, die den Fluchtpunkt dieses Forschungsprojekts bildet.

Das methodische Design zeichnet sich durch ein multimethodisches Vorgehen aus. Auf der Grundlage von halbstandardisierten Einzel- und Gruppeninterviews mit BewohnerInnen, Heimpersonal, BehördenmitarbeiterInnen, Initiativen in der Lokalbevölkerung und überregionalen UnterstützerInnengruppen, teilnehmender Beobachtung in den Unterkünften, partizipativer, akteurInnenzentrierter Erhebungsmethoden, ExpertInneninterviews und der Analyse von Dokumenten werden mittels des Forschungsdesigns der Grounded Theory differenziert Typen von den Sozialraum prägenden Faktoren, Subjektivierungsprozessen und Handlungsstrategien erarbeitet. Ziel dieses Projekts ist es, aus einer (1) raumsoziologischen, (2) subjekttheoretischen und (3) handlungstheoretischen Perspektive ein umfassendes und differenziertes Bild des Sozialraums Flüchtlingsunterkunft in Deutschland zu erstellen.