Natürlich ist niemand gegen Frieden. Aber wenn man genauer hinschaut, kommt man schnell in die Bredouille, sich in komplizierten Konflikten positionieren zu müssen. Die erste Generation, die die Ostermärsche organisierte, hatte selbst noch Kriegserfahrung, da war die Parole „Nie wieder Krieg!“. In den 1980er Jahren stand im Kalten Krieg nicht weniger als die Auslöschung der Menschheit auf der Tagesordnung. Da war es leichter, Stellung zu beziehen. Heute ist die Konfliktlage viel diffuser. Wenn man zum Beispiel sagt: „Kein Krieg gegen Russland“, läuft man Gefahr, die russische Außenpolitik reinzuwaschen.
die tageszeitung, 31.3.2018: „Friedenspolitik hat ihre Unschuld verloren“
Simon Teune in der taz
Ein wichtiger Punkt ist, dass Jugendliche moralisch sensibel sind. Über die Kluft zwischen dem, was da offiziell an hehren Werten verkündet wird, und dem, was real passiert, können sie sich sehr empören. Erwachsene sind da abgebrühter. Sie haben in der Tendenz schon fast ein zynisches Verhältnis zur Politik.
ntv.de, 28.3.2018: „Die Jungen sind moralisch sensibler“
Dieter Rucht auf ntv.de
Die AfD hat ja auch viele Proteste mit organisiert und hat lange so getan, als hätte sie mit Pegida nichts zu tun – aber inhaltlich gab es da nie eine Trennungslinie zwischen den beiden. Es kann gut sein, dass viele Leute, die in dieser Welle auf die Straße gegangen sind, auch sagen: Wir haben jetzt die AfD gewählt, die übernimmt ab jetzt, und ich muss jetzt gar nicht mehr auf die Straße gehen.
Deutschlandfunk Kultur, 21.3.2018: Hauptsache irgendwie bewegt?
Simon Teune im Deutschlandfunk Kultur
[Die] Erfolge der sozialen Bewegungen zeigen auch, wie geschmeidig und anpassungsfähig unser Politik- und Wirtschaftssystem ist. Protest werde teilweise assimiliert und dadurch ungefährlich, so Dieter Rucht. Wenn Protest bestimmte Fehlentwicklungen innerhalb einer Gesellschaft benennt, kann die Politik diese korrigieren. Daraus gehe das Gesamtsystem gestärkt hervor.
Greenpeace Magazin, 16.3.2018: Protest wirkt als Frühwarnsystem unserer Gesellschaft
Dieter Rucht im Greenpeace Magazin
Vielleicht finden die Studierenden und die Dienstleister in Zukunft wieder in Gewerkschaften zusammen. Viele Studierende, zum Beispiel Leute von der Occupy-Bewegung, gehen wieder in die Gewerkschaften und modernisieren sie von innen. Ich sage nicht, dass wir an der Schwelle zu einer neuen sozialen Bewegung stehen, aber die Menschen sind offener für Diskussionen. Schauen Sie nach Grossbritannien: Dort konnte ein alter, authentischer Linker wie Jeremy Corbyn die Jungen für die Labour Party mobilisieren.
Tageswoche, 14.3.2018: «Ich bin Soziologe – aber auch Sozialist»: Oliver Nachtwey tritt Nachfolge von Ueli Mäder an
Oliver Nachtwey in der Tageswoche
Ich bin total froh, dass der Begriff Frauenkampftag seit einigen Jahren wieder genutzt wird und die Frauen ihren Protest gegen die Ungerechtigkeit auf die Straße tragen. Denn der Rechtsruck in der Gesellschaft ist nicht nur in der AfD zu finden, sondern auch bei den selbsternannten „Lebensschützern“ und anderen konservativen Kreisen. Dass dieser Protest auf die Straße getragen wird, ist sehr wichtig.
ZDF heute, 08.03.2018: Kampf um Gleichstellung–„Es gibt noch viel zu tun“
Gisela Notz auf zdf.de
Es hat [mit den Protesten gegen die Startbahn West] Lernprozesse gegeben. Die Polizei konzentriert sich heute viel stärker auf die Kommunikation mit Demonstranten. Sie sieht es stärker als ihre Aufgabe an, Bürgern ihr Demonstrationsrecht zu ermöglichen. In den 1970er Jahren hieß es bei Konflikten schneller „Knüppel raus“. Auch Verwaltungen haben dazu gelernt. Infrastrukturprojekte werden heute anders geplant. Ohne Beteiligungsprozesse sind sie nur schwer zu vermitteln. […] Die Einstellung zu militantem Protest [unter Protestierenden] hat sich verändert. Nach den Schüssen an der Startbahn und den Anschlägen der RAF wurden Attacken auf Polizisten vielfach diskutiert und in der Folge breit abgelehnt.
Frankfurter Neue Presse, 28.2.2018: Darum ist der Startbahn-West-Protest eskaliert
Simon Teune in der Frankfurter Neuen Presse
In previous elections, we didn’t see the disintegration of the centre-left we are seeing now, Della Porta continues, referring to the 2013 election which saw comedian Beppe Grillo’s M5S first emerge as a third force in Italian politics. In those elections, [the M5S] was the party that channelled discontent, including towards austerity policies imposed by the Monti government, supported by both the centre-left and centre-right. But it focused on environmental and ethical issues as opposed to issues of inequality and social justice like Podemos in Spain or Syriza in Greece.
Al Jazeera, 28.02.2018: Power to the People: Left-wing party challenges ‚racist logic‘
Donatella della Porta auf Al Jazeera
«Es gibt kein institutionelles Gedächtnis», sagt Teune. «Die mediale Berichterstattung ist meist sehr kurzatmig. Sie orientiert sich daran, wie an dem Ort Proteste normalerweise verlaufen. Über die gleichen Geschehnisse in Frankreich oder Griechenland wäre anders berichtet worden.» Unsere Vorstellung sei stark vom Zugang zu Informationen geprägt: So sei zwar die Anzahl verletzter Polizisten zugänglich, aber nicht, wie viele Demonstrantinnen verletzt worden sind. «Die Polizei macht in Bezug auf G20 sehr offensive Öffentlichkeitsarbeit. Durch die selektiven Informationen bestimmt sie das Bild, wie schlimm was war.»
Die Wochenzeitung, 22.02.2018: Taucherbrille plus Böller gibt sechs Monate Haft
Simon Teune in der Wochenzeitung
Die Kritiker der Identitätspolitik denken in kommunizierenden Röhren, wenn sie fordern, wieder mehr auf die soziale Frage und weniger die Identitätspolitik zu setzen. Sie vergessen, dass die gesamte Geschichte linker Bewegungen, nicht zuletzt der frühen Arbeiterbewegung, sich um die Frage von Identität, Anerkennung, Autonomie und Würde – und ja, auch Stolz – drehte.
Die Zeit, 04.02.2018: Die Linken: Für die vielen, nicht die wenigen
Oliver Nachtwey in der Zeit