Protestforscher sprechen sogar von einer Konjunktur des Marsches. Er funktioniere oft besser als eine klassische Demo. Das sagt auch Leslie Gauditz vom Institut für Protest- und Bewegungsforschung: „[Der „Marsch für Bewegungsfreiheit“] ist im Prinzip eine Gegentaktik gegen klassische politische Märsche, die vielleicht sogar bedrohlich wirken können. Es geht eigentlich darum zu zeigen, man ist friedliebend, man ist freundlich. Was sich als Taktik abzeichnet, ist der Versuch einer Umdeutung“
mephisto 97.6, 13.04.2018: Zirkus ohne Grenzen
Leslie Gauditz bei mephisto 97.6
The 2016 island protests have shown that potential challenges for Sissi’s rule not only stem from mass uprisings with hundreds of thousands of participants. As scholars have highlighted in the wake of the 2011 uprisings, there is significant power in “the subversion of the very images that the rulers have tried to project as evidence and instrument of their dominion.” The Tiran and Sanafir island controversy undermined the regime’s nationalist image. Egyptian authorities had seriously underestimated the emotional bond between the Egyptian people and their homeland, strengthened through fights against colonialism and military and diplomatic battles over Sinai with Israel.
The Washington Post, 15.04.2018: Two years ago nationalism sparked massive protests in Egypt. Could it happen again?
Jannis Grimm in der Washington Post
„Der Eindruck, dass es heute keinen oder kaum Protest gegen diese Missstände gibt, täuscht. Unsere Untersuchungen am Institut für Protest- und Bewegungsforschung etwa zeigen, dass Protestereignisse über die letzten Jahrzehnte eher zu- als abnehmen.“
Süddeutsche Zeitung, 10.04.2018: Rührt Euch (in der Printversion erschienen am 11.04.2018 unter dem Titel „Informelle Gruppen spielen eine wichtigere Rolle“)
Priska Daphi in der Süddeutschen Zeitung
Auch Wissenschaftler hatten auf die Mitverantwortung der Polizei an der Eskalation während des G20-Gipfels hingewiesen. „In der Protestwoche hat sich eine Gewaltspirale ereignet, an der verschiedene Akteure mitgedreht haben – gerade der Polizei muss man eine Teilverantwortung an dieser Zuspitzung geben„, sagte der Protestforscher Peter Ullrich dem »nd« in einer früheren Auswertung der Gipfeltage. „Viele Fälle von eindeutig unverhältnismäßigen Angriffen auf Demonstrierende, zufällige Menschenansammlungen und Journalisten sind dokumentiert – es ist eine unendlich lange Liste.“
Neues Deutschland, 09.04.2018: Hamburgs Innensenator und Polizei verteidigen G20-Einsatz
Peter Ullrich im Neuen Deutschland
„As the management academic Fabian Frenzel shows in his thought-provoking book Slumming It, some observers have labelled these initiatives [of voluntary work] as mere “voluntourism”, and argued that they exist because NGOs have stepped in where governments have failed to act.
Financial Times, 11.04.2018: What I learnt as a ‘voluntourist’
Fabian Frenzel in der Financial Times
Die SWR2-Themenwoche „Die 68er“ beginnt mit einem Streifzug durch die Protestformen der Zivilgesellschaft bis heute. Was sie über die Protestierenden und deren Gegenspieler aussagen und wie sich Protest heute auf der Straße und im Netz aufbaut und auflöst, erklärt Dieter Rucht, Soziologe und Zeitzeuge. […]„Protest hat historische Errungenschaften erbracht, die wir heute für selbstverständlich erachten; der 8-Stunden-Tag, die Sozialgesetzgebung, bürgerliche Freiheiten, Abwesenheit von Zensur, Frauenwahlrecht… All diese Errungenschaften wurden durch Proteste erkämpft und nicht einfach ‚von oben‘ gewährt“
SWR2 Tandem, 09.04.2018: Protestformen in der Zivilgesellschaft. Der Soziologe Dieter Rucht über Widerstand gestern und heute
Dieter Rucht im SWR2 Tandem
Während andere Wissenschaftler in Archiven geforscht haben, hat der Politologe seine Beobachtungen vor Ort gemacht. Im Gespräch mit dem Greenpeace Magazin schildert Hertle seine Erinnerungen an die Proteste: „In der Friedensbewegung waren Kriegsdienstverweigerer, Lehrlinge und Studenten, aber auch Menschen, die auch schon den Ersten Weltkrieg erlebt hatten und dann nach den Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg gesagt haben: Jetzt ist Schluss!“
Greenpeace Magazin, 23.08.2018: Kommunisten, Christen und Hippies vereint – im Kampf gegen Atomwaffen
Wolfgang Hertle im Greenpeace Magazin
Der Soziologe Dieter Rucht vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung spürt dennoch einen „diffusen Unmut„. „Vor allem die Jüngeren sind unzufrieden mit dem jetzigen Klein-Klein der Politik. Es fehlen ihnen die Visionen.“ Er möchte nicht mit einem hoffnungslosen Idealisten verwechselt werden, hält es aber sehr wohl für denkbar, dass die Mobilisierung wieder stärker wird. Mit Blick auf die jüngsten Großdemonstrationen in den USA sieht er die Möglichkeit, dass sich der Unmut zu einem grundsätzlichen politischen Engagement verstärkt. Ruchts frohe Osterbotschaft: „Das Potenzial wächst.“
Süddeutsche Zeitung, 31.03.2018: Ostermarsch im Gänseschritt
Dieter Rucht in der SZ
Märsche hätten im Vergleich zu ortsfesten Demonstrationen ein besonderes Aktivierungspotenzial, sagt Protestforscher Haunss: „Sie haben ein starkes Mobilisierungselement, weil sie auf ein Ereignis hin fokussieren.“ Es gebe eben diesen einen Marsch, bei dem man mitmachen kann – und er hat einen definierten Anfang und ein Ende. […]
Während in den USA der Begriff „March“ seit jeher tendenziell positiv besetzt ist, weil sie mit den Bürgerrechtsbewegungen der 60er- und 70er-Jahre verbunden werden, ist die Bewertung in Deutschland weniger einfach. Simon Teune, Forscher am Institut für Protest- und Bewegungsforschung, sagt, in Deutschland würden Märsche eher als „Auf-Märsche“ von rechten Gruppierungen gesehen. Protestforscher Haunss von der Universität Bremen verweist dagegen auf die Ostermärsche – die seien klassischerweise links motiviert.
Deutschlandfunk Nova, 26.03.2018: Marsch ist die neue Demo
Sebastian Haunss und Simon Teune bei Deutschlandfunk Nova
Sogenannte „Latschdemos“ wie die traditionellen Ostermärsche wirkten inzwischen „ein bisschen angestaubt„, sagt der Bewegungsforscher Dieter Rucht vom Wissenschaftszentrum Berlin. „Viele der jungen Leute, die wollen sich selbst auch irgendwie betätigen, die wollen das Gesicht bunt bemalen, die wollen auch ein Stück feiern.“ Oder sie organisieren Protest im Internet: „Man sitzt zuhause, ein Mausklick – und dann hat man was für das Gewissen getan.“ Inwieweit dieser „Klicktivismus“ traditionelle Protestformen ersetzen kann, ist Rucht zufolge allerdings umstritten: „Es gibt durchaus Diskussionen, auch unter den Organisatoren, unter den Aktivisten, dass dieser Klicktivismus im Grunde schädigend ist.“
Deutschlandfunk Kultur, 03.04.2018: Ein Mausklick für das gute Gewissen
Dieter Rucht bei Deutschlandfunk Kultur