Die Bemühung um Protestmobilisierung, von unten oder von oben, wie im Fall von Aufstehen, führt also nur selten zu langfristigen, weit sichtbaren Bewegungen. Doch darin eine besondere Schwäche der deutschen Linken zu sehen, ist falsch.
Zeit Online, 21.03.2019: Nur noch kurz die Welt retten
Beitrag von Jochen Roose in der Zeit
In vielen westlichen Städten ist es tatsächlich so, dass öffentliche Räume Zugriffskontrollen unterworfen werden oder der Zugang dazu nicht gleich verteilt ist. Man kann beobachten, dass die Zugangsrestriktionen zu öffentlichen Räumen vor allem für Menschen gelten, die ohnehin marginalisiert sind. Menschen mit kleineren Einkommen, die vielleicht in beengten Wohnungen leben und den öffentlichen Raum brauchen, Jugendliche, die draußen im öffentlichen Raum wichtige gesellschaftliche Selbstfindungsprozesse durchlaufen. Für diese Gruppen wird der öffentliche Raum stärker reglementiert – manchmal auch verschlossen.
Frankfurter Rundschau, 21.03.2019: „Orte ohne Konsumzwang verschwinden“
Daniel Mullis in der Frankfurter Rundschau
Die Äußerung Lindners zeigt, dass die Schüler die richtige Protestform gefunden haben, sagt der Protestforscher Simon Teune. Er ist an diesem Freitag bei der Berliner Demonstration, um sie zu ihren Beweggründen zu befragen. Der Schulstreik ist es, der eine Reibungsfläche erzeugt – gerade weil die Haltungen in der Klimafrage so nah beieinander scheinen. Der Streik aber unterbricht das allgemeine ,business as usual‘. Anliegen der Schüler sei es, den Leuten bewusst zu machen, dass der Alltag radikal unterbrochen werden müsse, um das Klimaziel einzuhalten. Deshalb fänden die Demonstrationen weltweit auch in über 100 Ländern und zig Städten pro Land statt: nicht irgendwo, sondern vor der eigenen Haustür müsse sich etwas ändern.
Der Freitag, 22.3.2019: Kein Fleisch für niemand
Simon Teune im Freitag
Dass Schüler von sich aus auf die Straßen gehen, ist ungewöhnlich. Jugendproteste seien bislang meist von Studenten getragen worden, sagt die Soziologin und Protestforscherin Sabrina Zajak. Schüler hätten sich ihnen bislang nur angeschlossen, wie etwa bei den Studentenprotesten aus den sechziger Jahren. Bei „Fridays for Future“ ist es so, dass die Demos direkt aus den Schulen in die Breite getragen werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.2.2019: „Friss Tofu, Du Würstchen!“
Sabrina Zajak in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Protest ist das, was wir an der Oberfläche sehen können, aber die Leute, die protestieren gehen als andere Menschen nach Hause. Sie nehmen die Energie mit und wandeln ihr Engagement in andere Formen um.
Deutschlandfunk Nova, 16.3.2019: Fridays for Future: Schülerdemo trifft auf Politik
Simon Teune auf Deutschlandfunk Nova
Das Risiko für rechten Terror ist im Grunde permanent sehr groß, denn wir haben alle Zutaten. Wir haben eine gesellschaftliche Polarisierung, wir haben eine Diskussion, in der die Kernthemen der radikalen Rechten, nämlich antimuslimischer Rassismus beispielsweise sehr hoch auf der öffentlichen Agenda stehen. Wir haben feste rechtsextreme Strukturen, die verankert sind, die vernetzt sind, die hoch professionell auch sind.
Deutschlandfunk, 18.3.2019: „Wir haben feste rechtsextreme Strukturen“
Matthias Quent im Deutschlandfunk
Die Demos der Schüler*innen sind ein weiterer Faktor, um den Handlungsdruck auf die politisch Verantwortlichen zu erhöhen. Der Erfolg der Proteste liege vor allem in der breiten und insgesamt unterstützenden Medienresonanz. [Dieter Rucht] sagt, der Medienrückhalt würde die Schüler*innen beflügeln. Außerdem essenziell: der Schulstreik. Es ist wichtig für Jugendliche, sich an Autoritäten zu reiben, sagt Rucht. Durch das Verpassen des Unterrichts entstünden Konflikte und Debatten in den Schulen – das sei wichtig, da Reiz und Reibungsfläche sonst fehlen würden.
Zitty, 12.3.2019: Wir sind Greta – Klimakampf statt Klassenzimmer
Dieter Rucht in der Zitty
Heute hat sich vielleicht gezeigt: Das war eine Massendemonstration, wie wir sie als Frauendemonstration wirklich seit 1911 nicht mehr hatten. Das war vielleicht auch dem geschuldet, dass der Tag eben Feiertag war. Es war ein guter Auftakt, daraus wirklich was zu machen. Für mich ist wichtig: Hauptsache, es bleibt ein Frauenkampftag.
Deutschlandfunk Kultur, 09.03.2019:„Hauptsache, es bleibt ein Frauenkampftag“
Gisela Notz im Deutschlandfunk Kultur
Solche Figuren [wie Greta Thunberg] sind aus zwei Gründen wichtig: zum einen weil Medien eine große Rolle spielen, wenn es darum geht, wie über Proteste geredet wird und so ein Gesicht zu einer Forderung, da kann man den Hintergrund einer Protestbewegung erzählen. Das andere ist, dass so eine Figur auch zur Projektionsfläche wird für die Leute, die Veränderung wollen. Das funktioniert aber nur da, wo vorher schon ein Potenzial ist. Das heißt, einzelne Personen schaffen keine Protestbewegungen.
Deutschlandfunk Nova, 1.3.2019: Bewegungen brauchen keine Anführerin
Simon Teune bei Deutschlandfunk Nova
Auch Swen Hutter, Experte am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, findet bemerkenswert, dass die Schüler alles selbst auf die Beine stellen: „Es überrascht mich, wie schnell sie sich mobilisieren und wie viel öffentliche Aufmerksamkeit sie generieren. Das beobachten wir nicht oft bei Jugendprotestbewegungen.“
Süddeutsche Zeitung, 18.01.2019: Auf die Straße statt in die Schule
Swen Hutter in der SZ