„Die Universität ist ein symbolischer Raum“, sagt der Protestforscher Piotr Kocyba vom Else-Frenkel-Brunswik-Institut der Uni Leipzig. „Und sie ist der Ort schlechthin für offenen Austausch. Also ist es naheliegend, dass man sie auch für den Protest nutzt.“
Leipziger Volkszeitung, 18.5.2024: Wie politisch darf Leipzigs Uni sein?
Piotr Kocyba (Uni Leipzig)
Der Hungerstreik sei eine typische Protestform in Gefängnissen, wenn keine anderen Möglichkeiten blieben als der eigene Körper, um Forderungen geltend zu machen, sagt der emeritierte Soziologieprofessor Dieter Rucht. In der subjektiven Selbsteinschätzung der Klimaschützer sei genau das der Fall, glaubt der Protestforscher: Alles andere habe nichts gebracht. „Ob dieser moralische Druck nötig ist, ist subjektiv, es gibt für die Regierung keinen Zwang, nachzugeben“, sagt Rucht.
Zeit Online, 18.5.2024: Sie fordern die Macht heraus
Dieter Rucht (WZB)
Ich glaube, dass die Proteste derzeit in einer Art und Weise wahrgenommen werden, die ihnen nicht angemessen sind. Wenn die Bundesbildungsministerin oder der Berliner Bürgermeister das als Zusammenrottung von Judenhassern und Israelhassern abtun, dann wird ein Klima geschaffen, wo über das eigentliche Anliegen gar nicht diskutiert wird und man nicht zu einer differenzierten Kritik kommen könnte.
Zeit Online – Was jetzt? Die Woche, 16.5.2024: Antisemitismus oder legitimer Protest – wo liegt die Grenze?
Peter Ullrich (TU Berlin)
„Vor allem ist die politische Sozialisation in früheren Lebensphasen ein zentraler Faktor“ [für den Zulauf bei den Omas gegen Rechts]. Die Prägung der Babyboomer durch die 68er Jahre könnte also ein weiterer Faktor sein […]. Ob der Zulauf aber tatsächlich eine Sache der Alterskohorten ist, vermag Rucht nicht sicher zu sagen. Auch Daniel Mullis, Politologe beim Peace Research Institute Frankfurt, warnt vor voreiligen Schlüssen. Einen Generationeneffekt sieht er nicht unbedingt: „Es kann auch sein, dass sich in diesen Gruppen der Protest verstetigt, den wir Anfang des Jahres auf den Straßen gesehen haben.“
epd, 15.5.2024: Aachener Friedenspreis für „Omas gegen Rechts“
Dieter Rucht (WZB) und Daniel Mullis (PRIF)
Die Dozenten haben sich für das Grundrecht der Meinungs- und Versammlungsfreiheit und für Universitäten als Räume des Diskurses ohne Polizei stark gemacht, für das Recht anlässlich des Gaza-Krieges, Protest zu artikulieren – ohne sich die Ziele dieses Protestes zu eigen zu machen.
nd, 13.5.2024: Springers Palästina-Pranger
Peter Ullrich (TU Berlin)
Protestforscher Jannis Grimm, selbst Dozent an der FU, glaubt, dass Universitäten Meinungsstreit aushalten müssen. „Die Polizei auf den Campus zu holen, ist keine Kleinigkeit“, sagt Grimm. „Es muss nicht eine Mehrheit den Protest gut finden. Was wir von den Inhalten halten, spielt keine Rolle. Es ist wichtig, dass diese Proteste stattfinden können. Das gilt auch für die Gegenproteste. Universität muss ein Ort der Kontroverse bleiben, wo die Kontroverse nicht durch die Polizei beendet wird.“
dpa, 9.5.2024: Palästina-Proteste stürzen Unis in Dilemma
Jannis Grimm (FU Berlin)
This remarkable movement is significant due to its sheer size—German sociologist Dieter Rucht described it as „the biggest mass movement in the history of the Federal Republic“—and also because it stands in stark contrast to the stunning complacency pervading the United States.
Newsweek.com, 7.5.2024: Germans have taken to the streets to protect their democracy. Why aren’t Americans?
Dieter Rucht (WZB)
Zwar nehmen Angriffe in Zeiten von Wahlkämpfen zu – „was wir jetzt aber erleben, darf nicht normalisiert werden.“ Hutter spricht von einem „polarisierten Umfeld“ in den letzten Jahren. Krisen und Kriege führten zu einer „emotional aufgeladenen Stimmung“ in der Gesellschaft – aber auch im politischen Diskurs. Der Ton wurde auch bei Politikern „gerade aus dem rechten Spektrum und der AfD schärfer in den letzten Jahren.“
BR24.de, 6.5.2024: Angriffe auf Politiker, Angriffe auf Demokratie: Was tun?
Swen Hutter (FU Berlin und WZB)
Es wird sich eben oft nicht nur in universalistischer Hinsicht für die Befreiung von Menschen von Besatzung engagiert, sondern man wird quasi Partei in einem nationalistischen Konflikt zwischen Zionismus und der palästinensischen Nationalbewegung. Der Nationalismus des eigentlichen Konflikts hinterlässt seine Spuren im Nahostkonflikt der Solidaritätsbewegungen. Man verfestigt hier Antagonismen, anstatt eine dritte Position einzunehmen, die es für eine Friedenspolitik bräuchte. Dieser Maximalismus trägt dazu bei, dass die Bewegung extrem unempfänglich auch für solidarische Kritik ist und die Reflexion scheut.
die tageszeitung, 2.5.2024: „Nationaler Furor“
Peter Ullrich (TU Berlin)
„Die neuen Aktionen sind Ausdruck der relativen Folgenlosigkeit der bisher gewählten Protestformen. Die Aktivistinnen und Aktivisten folgen dabei dem Prinzip Versuch und Irrtum“. Der Forscher erklärt: „Man probiert aus, wofür man Aktivistinnen und Aktivisten gewinnen und welche Resonanzen man erzeugen kann. Klappt das nicht, versucht man etwas anderes.“
nau.ch, 25.4.2024: Klima-Voegtli erklärt: Darum nerven wir jetzt „normale Menschen“
Dieter Rucht (WZB)