Auf einer tieferen, strukturellen Ebene muss man sich fragen: Wieso glauben so viele Menschen, dass dubiose Mächte das Virus benutzen, um ihnen zu schaden? Auf dieser Ebene muss man diese Bewegung auch als Symptom für eine extreme Entfremdung großer Teile der Bevölkerung von sämtlichen gesellschaftlichen Institutionen verstehen.
Berliner Zeitung, 28.08.2020: Protestforscher: „Es gibt einen unglaublichen Zorn“
Peter Ullrich in der Berliner Zeitung
Corona verschafft einen Anlass, bei dem sich Kritiker und Unzufriedene unterschiedlichster Coleur versammeln können, ohne sich untereinander verständigen zu wollen oder verständigen zu müssen, was denn politisch eigentlich daraus folgt.
Deutschlandfunk, 31.08.2020: Zur Ikonographie des „Widerstandes“ – Protestforscher Dieter Rucht im Gespräch
Dieter Rucht im Deutschlandfunk
Die Reaktionen auf den Protest in Berlin sollten differenzierter ausfallen. Es bringt nichts, die Demonstranten zu beschimpfen und sie alle in einen Topf werfen. Mit den ambivalent Denkenden, den Zweifelnden, muss man ins Gespräch kommen. Ein Teil der Protestierenden ist allerdings nicht erreichbar, da sollte man sich auch nicht groß anstrengen.
Saabrücker Zeitung, 31.08.2020: „Nicht alle Demonstranten in einen Topf werfen“
Dieter Rucht in der Saarbrücker Zeitung
Viele Teilnehmer begründen die Teilnahme an den Protesten auf haarsträubenden Verschwörungstheorien und der Fiktion, eine stille Mehrheit auf ihrer Seite zu haben. Aber es gibt ein diffuses Unbehagen mit dem Zustand der Demokratie, mit der aktuellen Politik und das verbindet sich mit einer Vielzahl weiterer Anliegen. Diese Motivstruktur bleibt bestehen.
Focus Online, 31.08.2020: Experte warnt: Verfassungsschutz spielt Bedeutung von Rechten bei Corona-Demos herunter
Peter Ullrich auf Focus.Online
I assume that both the protests and their leaders will disappear again, Mr. Teune said. What they are lacking to form a long-term and more organized political movement is a common goal. But it would be wrong to dismiss the protests as insignificant.
New York Times, 31.08.2020: Meet Germany’s Bizarre Anti-Lockdown Protesters
Simon Teune in der New York Times
Die Gefahr ist, dass wir in symbolische Diskussionen verfallen (…). Das kann darüber hinwegtäuschen, dass es in der Alltagsrealität auch von vielen dieser Demonstranten völlig normal ist, diese Symbole zu zeigen, diese Verschwörungsideologien und auch rechtsextremen Narrative zu verbreiten, Antisemitismus zu bedienen.
Deutschlandfunk, 31.08.2020: „Nur die Spitze des Eisbergs“
Matthias Quent im Deutschlandfunk
Wenn es mir um so was geht wie die psychologischen Effekte der Vereinzelung oder ökonomische Folgen von den Corona-Maßnahmen, dann kann man nur sagen, das kommt angesicht der schrillen Töne bei diesen Demonstrationen nicht mehr an. Wen so etwas umtreibt, den kann man dann auch nur raten, Proteste zu organisieren, die tatsächlich diesen Schwerpunkt haben, und man kann solche Proteste auch so organisieren, dass sich Menschen mit Umsturz-Phantasien nicht eingeladen fühlen.
Deutschlandfunk Kultur, 31.08.2020: „Nicht pauschal urteilen, aber klare Grenzen ziehen“
Simon Teune im Deutschlandfunk Kultur
Das Problem ist, dass sehr viel Unruhe in der Bevölkerung vorhanden ist, dass Corona einen Anlass bietet, (…) um Leute mit unterschiedlichen politischen Anliegen oder auch persönlichen Anliegen auf die Straße zu bringen. Wenn da Rechtsradikale neben sogenannten Normalbürgern stehen, die sich miteinander vertraut und bekannt machen, dann besteht schon die Gefahr, dass ein Teil derer, die sich jetzt als eher unpolitisch oder moderat verstehen, in dieses rechtspopulistische Lager, am Ende vielleicht auch in ein rechtsradikales Lager abdriftet.
rbb Inforadio, 31.08.2020: Protestforscher: „Es ist nur eine winzige Minderheit“
Dieter Rucht im rbb Inforadio
Was „Fridays for Future“ angehe, habe Corona gezeigt, dass die internen Strukturen auf jeden Fall erhalten blieben, sagt Fielitz. Er sieht die Bewegung nicht am Ende. Das aktivierbare Potenzial ist weiter vorhanden, weil auch das Problem, der Klimawandel, durch Corona nicht verschwunden ist. Und auch wenn die Präsenz geringer geworden sei: Fridays for Future sei mehr als eine kurzfristige Massenbegeisterung.
tagesschau.de, 20.08.2020: Bremst Corona „Fridays for Future“ aus?
Maik Fielitz auf tagesschau.de
Verschwörungsdenken ist nicht per se rechts. Es weist jedoch viele Schnittstellen zu solchen Weltbildern auf – gerade, wenn es um autoritäre Lösungen von Problemen geht. Es liefert eine ähnliche Darstellung, Opfer zu sein, als Grundlage einer vermeintlich notwendigen Selbstermächtigung. Vereinfachende Freund-Feind-Bestimmungen sind ebenfalls Teil davon. Damit operiert auch die extreme Rechte.
Jungle World, 20.8.2020, „Eine diffuse politische Empörung“
Sebastian Sommer in der Jungle World