„Der Umgang mit dem Krieg in Gaza wird als Ausdruck einer Weltordnung gelesen, in der mit zweierlei Maß gemessen wird“, sagt Grimm. Dieser Vorwurf treffe vor allem die Grünen, etwa Außenministerin Annalena Baerbock. „Bei den Demos heißt es dann, warum redet sie von feministischer Außenpolitik, spricht aber kein Tacheles, wenn es um Gaza geht.“
taz, 22.1.2025: Die Linke und der Nahost-Konflikt. Nun sag, wie hältst du es mit Gaza?
Jannis Grimm (FU Berlin)
Das war die größte Protestwelle in der Geschichte der Bundesrepublik […] Damit hat sich die deutsche Zivilgesellschaft als robust, aktiv und mobilisierbar und bestürzt gezeigt. […] Diese Protestwelle rollte bis in die kleinsten Ortschaften in Deutschland und vor allem dort, wo man sich einer rechten Hegemonie entgegengestellt hat, in kleinen Ortschaften, wo es keine Anonymität wie in Großstädten gibt, ist das eine große und beachtliche Leistung.
SWR Kultur, 13.1.2025: Ein Jahr nach der Correctiv–Recherche – Was ist von der großen Protestwelle geblieben?
Piotr Kocyba (Uni Leipzig)
Ist also von der Protestwelle keine nachhaltige Wirkung geblieben? Laut den Expertinnen Nina-Kathrin Wienkoop und Lisa Bogerts vom Institut für Protest- und Bewegungsforschung ist dies nicht ganz richtig. „Nur die Umfragewerte der AfD als Messung von Erfolg und Effekten von Protesten zu nehmen, greift zu kurz. Durch die Proteste sind neue Bündnisse und neues Engagement entstanden“, so Wienkoop.
zdf.de, 10.1.2024: Ein Jahr nach der Protestwelle:Wie die AfD in Umfragen verlor – aber nun zulegt
Lisa Bogerts und Nina Wienkoop
Wir sehen einen klaren Effekt der Remobilisierung der Protestierenden. Und – das finde ich noch spannender – auch einen Effekt auf Zivilcourage. Es gaben mehr als die Hälfte der Befragten an, dass sie sich seit den Protesten häufiger im Alltag in politische Diskussionen einmischen, und 23 Prozent, dass sie auch häufiger eingreifen, wenn sie Diskriminierung beobachten. Das heißt langfristig gibt es auch einen Effekt auf die politische Kultur.
rbb info, 10.1.2024: Ein Jahr nach der Correctiv-Recherche: was haben die Proteste gebracht?
Nina Wienkoop
Der Blick in queere, migrantische und antirassistische Bewegungsgeschichten gibt […] viele Beispiele, aus denen wir für die Zukunft lernen können. Immer wieder haben sie aufgezeigt, dass Armut und Ausgrenzung, dass Diskriminierung und Ausbeutung zusammenhängen. Unabhängige, selbst organisierte Netzwerke, Organisationen, Stiftungen und Crowdfunding-Projekte werden wichtiger und damit die Arbeit in den Communitys noch mehr.
Siegessäule.de, 6.1.2025: „Koalition der sozialen Kälte“: Wie der Senat queeres und migrantisches Leben bedroht
Tarek Shukrallah (Uni Marburg)
Durch Zeichen grenzen sich Gruppierungen, Kollektive, in dem Fall eben Protestbewegungen von einem Außen ab, aber sie konstituieren sich auch. Dadurch, dass die Protestierenden Symbole tragen, zeigen sie: Ich bin Teil der Bewegung, ich bin Teil der Gruppe, ich gehöre dazu und ich positioniere mich. –
Ein Symbol kann ein Song sein, kann eine Person sein, eine Statue oder ein Zeichen. Und zum Symbol wird eben etwas erst durch eine Art von Bedeutungsaufladung. Das heißt, es bildet nicht einfach nur möglichst wertneutral etwas ab, sondern symbolisiert eben etwas.
SWR Kultur, 25.12.2024: Wolfsgruß und Friedenszeichen – Die Macht politischer Symbole
Johanna Wahl (TU Berlin) und Jannis Grimm (FU Berlin)
Natürlich habe ich in einer Demokratie bessere Chancen, mit Protest Gehör zu finden, da sich Regierende grundsätzlich normativ dazu verpflichtet fühlen, die Bürger einzubinden. Allerdings gibt es dafür in Form von Wahlen einen klaren Mechanismus, um demokratische Mehrheitsentscheidungen zu treffen. Es wäre gar nicht wünschenswert, wenn Proteste immer zu Erfolg führten. Warum sollten zehn Leute, die für etwas protestieren, mehr Gehör finden als Millionen, die für etwas abgestimmt haben? Auch Demokratien gehen selten eins zu eins auf Proteste ein. Sondern sie tun es, indem gewählte Repräsentanten und die Öffentlichkeit sich mit ihren Forderungen und deren Rückkoppelungen in der Gesellschaft beschäftigen.
Zeit Online, 23.12.2024: „Proteste können Symptome autokratischer Tendenzen sein“
Tareq Sydiq (Uni Marburg)
Im Oktober stellte Protestforscherin Antje Daniel vom Institut für Internationale Entwicklung der Universität Wien eine Langzeituntersuchung zu Fridays for Future vor. Ihr zufolge hat sich unter den Demonstrantinnen das Gefühl der Macht- und Hoffnungslosigkeit breitgemacht. Dass bereits Jahre „mobilisiert wird, ohne die Ziele erreicht zu haben, kann sich durchaus negativ auf die Mobilisierungskraft auswirken oder das Ausloten neuer Strategien begünstigen“, schreibt Daniel.
Der Standard, 21.12.2024: Fridays for Future geht ins verflixte siebte Jahr
Antje Daniel (Uni Wien)
Deswegen kann man schon sagen, dass die Proteste einen Effekt auf die Zivilcourage und das Brandmauer-Gefühl haben, auch weil alle Teilnehmenden gesagt haben, dass sie sich selbst empowered gefühlt haben.
Vorwärts.de, 10.12.2024: Studie: Welchen Effekt die Massenproteste gegen Rechtsextremismus hatten
Lisa Bogerts
„Oft bedienen [Memes] Klischees“, sagt Lisa Bogerts, weshalb sie sich auch leicht für vereinfachte Narrative nutzen lassen. „Rechte Narrative sind oft weniger komplex als pro-demokratische.“ So eignen Memes sich auch gut für die schnelle Kommunikation von unterkomplexen Ideen und Weltbildern.
Frankfurter Allgemeine Magazin, 7.12.2024: Wie Karen zum Klischee wurde
Lisa Bogerts