Die Pandemie war ein zentraler Einschnitt. Der Staat hatte sich bereits zuvor im Zuge der neoliberalen Entwicklung sukzessive zurückgezogen. In der Pandemie ist er dann mit voller Wucht zurückgekehrt als Akteur, der Verhalten bestimmt hat bis zu der Frage „Wen darf ich überhaupt zuhause noch treffen?“. Dann haben Menschen in der Mitte der Gesellschaft neu erfahren, dass auch ihre Belange nicht gehört werden – etwa als Kitas oder Schulen geschlossen wurden. Daraus ist eine tiefe Unzufriedenheit bis hin zu Wut gegenüber der politischen Repräsentation erwachsen und der Glaube, keine politische Macht zu haben, hat sich vertieft.
Frankfurter Rundschau, 18.3.2024: “Die Unsicherheit muss eingefangen werden”
Daniel Mullis (HSFK)
Es geht jetzt nicht darum, Aktionen zu planen, die das Regime ernsthaft in Gefahr bringen. Das ist im Moment schwierig bis unmöglich. […] Es geht jetzt darum, Mut zu machen, zum Durchhalten zu animieren und zu zeigen, es gibt viele Leute, die dagegen sind.
NDR Info, 17.3.2024: Russland-Experte zu Protestaktion: “Es geht darum, Mut zu machen.”
Jan Matti Dollbaum (LMU München)
Zusammenfassend lässt sich sagen: Viele Demonstranten fühlen sich der oberen Mittelschicht zugehörig, verorten sich politisch links der Mitte und verfügen über überdurchschnittlich hohe Bildungsabschlüsse. Außerdem besitzen viele von ihnen wenig Protesterfahrung.
Südkurier, 17.3.2024: Die schweigende Mitte? Stimmt das?
Sebastian Koos (Uni Konstanz)
Gerade in den lezten Monaten hat die Letzte Generation realisiert, dass sie mit ihren Protestaktionen nicht weiter kommen. Das hat sich auch anhand des großen Anteils der Bevölkerung gezeigt, der die Letzte Generation als Klimakleber betitelt hat oder große Ablehnung gezeigt hat.
Deutschlandfunk, 16.3.2024: Versammeln statt Festkleben
Johanna Wahl (TU Berlin)
Erklärtes Ziel der Gruppe ist es jetzt, durch die neue Form der Proteste für andere Bevölkerungsgruppen, unter anderem auch für Familien, anschlussfähig zu werden. “Ich halte es für fraglich, dass das funktioniert. Durch die Stilisierung und bestimmte Bilder im digitalen Raum könnte ein Imagewechsel schwierig werden”, sagt Wahl.
Augsburger Allgemeine, 15.3.2024: Letzte Generation plant „ungehorsame Versammlungen“ – auch in München
Johanna Wahl (TU Berlin)
Demokratie im Kleinen zu praktizieren, alles auszudiskutieren und für und wieder abzuwägen, mit allen zusammen, das kostet auch Zeit. […] Es gibt auch Versuche, das ganz anders zu organisieren, wie die Letzte Generation, die sagt: wir wollen keine Basisdemokratie, sondern bei uns gibt es einen kleinen Kreis von Leuten, die sich ne Stragie überlegen, die sich überlegen, welche Aktionen stattfinden sollen und die dann die anderen anweisen.
brand eins Podcast Good Work, 14.3.2024: “Viele Praktiken, die wir in Organisationen sehen, haben ihren Ursprung in Protestbewegungen”
Simon Teune (FU Berlin)
Zumindest bei Protesten im Süden von Baden-Württemberg waren die Teilnehmer mehrheitlich Wähler der Grünen und positionierten sich in der Mitte, vor allem aber links der Mitte der Gesellschaft. Viele der Demonstrantinnen und Demonstranten gingen das erste Mal überhaupt auf die Straße. Und eine große Zahl lehnen ein Verbotsverfahren gegen die AfD ab. Das haben Forscher der Universität Konstanz in Zusammenarbeit mit der Denkfabrik „Progressives Zentrum“ in einer der ersten Studien zur Zusammensetzung des Protests herausgefunden.
Der Tagesspiegel, 14.3.2024: “Arriviert, gebildet und mit klarer Linkstendenz”: Viele Demonstranten gegen Rechts wählen grün – und lehnen ein AfD-Verbot ab
Sebastian Koos (Uni Konstanz) mit Marco Bitschnau
Es ist eine neue Dimension was die Zahl der Teilnehmer*innen, aber auch die Dichte in der Fläche angeht. Um mal zwei Kennzahlen zu nennen: es haben jetzt aufaddiert über 3,5 Millionen protestiert und das bei 1300 Protestereignissen und das innerhalb von wenigen Wochen.
HR Info, 12.3.2024: Mitte macht mobil: Was folgt auf die Demos?
Dieter Rucht (WZB)
Protestforscher Sebastian Koos hat es überrascht, dass die Menschen auch in kleinen Dörfern und Städten so zahlreich auf die Plätze strömten. Proteste seien zumeist städtisch geprägt, sagt er.
die tageszeitung, 9.3.2024: Demos gegen rechts: Wenn die Demokratie Zähne zeigt
Sebastian Koos (Uni Konstanz)
In anderen Ländern, in den Nachbarstaaten Deutschlands, in Frankreich und in Polen, debattiert man öffentlich viel weniger aufgeregt über Streiks. […] Da werden die Arbeitnehmer im öffentlichen Diskurs sehr stark unterstützt, ihre Rechte einzufordern.
ntv, 9.3.2024: Im Ausland spricht man “weniger aufgeregt über Streiks”
Piotr Kocyba (Uni Leipzig)