Mit der Boomergeneration gingen jetzt viele in den Ruhestand, die bei großen Protesten der Nachkriegszeit vorn dabei gewesen wären. Menschen mit politischen Biografien, die zu organisieren verstünden. Sie hatten Arbeitsgruppen gegründet, bei Anti-AKW-Gruppen mitgemischt oder in der Studentenbewegung (hieß in den 1960er Jahren so, Frauen waren eher mitgedacht). Heute nähmen sie dann das ein, was Rucht eine generalisierte politische Position nennt: prodemokratisch, eher links, oft bündnisorientiert.
die tageszeitung, 14.1.2024: Bunte Omas, schwarzer Block
Dieter Rucht (WZB)
Die Unzufriedenheit mit Veränderungen macht sich jetzt sehr an der Ampel-Politik fest. Letztlich wäre aber wohl jede Regierung in der Kritik, die die Klimaziele ernst nimmt und gleichzeitig sparen muss.
t-online, 11.1.2024: Unterstützung für Bauernproteste: „Die hohe Zustimmung wird abnehmen“
Julia Zilles (SOFI Göttingen)
In dieser Woche kommt sehr viel zusammen, was unmittelbare Auswirkungen auf das tägliche Leben haben. Insgesamt ist das aber nicht ein Zeichen, dass wir viel mehr Proteste haben als üblich. Wir haben schon lange ein hohes Niveau an Protesten, das heißt, dass viele Menschen und Gruppen dieses Mittel der demokratischen Beteiligung nutzen.
Deutschlandfunk Kultur, 9.1.2024: Protestforscher: Überwiegend positiver Blick auf Verkehrsblockaden
Sebastian Haunss (Uni Bremen)
Im Prinzip gehe umfassender Klimaschutz mit der Förderung der heimischen Landwirtschaft zusammen, sagt der Konfliktforscher Felix Anderl: „Dafür bräuchte es aber einen umfänglichen Systemwechsel.“ Und gerade vor dem hätten viele Landwirtinnen und Landwirte Angst. „Das ist auch begründet. Über Jahrzehnte wurden sie an die Billigpreispolitik gewöhnt und abhängig von Subventionen gemacht. Und wenn man die jetzt antastet, ohne anderweitig zu fördern, fürchten viele zu Recht um ihre Existenz.“
Deutschlandfunk, 8.1.2024: Warum die Bauern auf der Straße sind
Felix Anderl (Uni Marburg)
„Was legitim ist, wird immer wieder gesellschaftlich ausgehandelt. Generell kann man sagen, dass die Legitimität von Protest immer wieder an Grenzüberschreitungen festgemacht wird“, sagt Forscher Teune und macht deutlich, wie unterschiedlich diese Grenze bei jeweiligen Gruppen ausgelegt wird. „Vertreter*innen von AfD, Union und Freien Wählern haben sich unterstützend auch zu Blockadeaktionen von Bauern geäußert, während sie gleichzeitig Blockaden von Klimaaktivist*innen, die auf die Menschen ähnliche Effekte hatten, zurückgewiesen haben.“
merkur.de, 8.1.2024: Bauern und Letzte Generation – warum der Protest so unterschiedlich bewertet wird
Simon Teune (FU Berlin)
Meine Sorge ist nicht so sehr, dass es irgendwelche kleinen Gruppen gibt, die diese Proteste instrumentalisieren, sondern eher, dass es innerhalb der Gesellschaft und dementsprechend auch innerhalb der Bauern- und Bäuerinnenschaft eine Verschiebung nach rechts gibt. Das heißt nicht, dass das alles Rechtsextreme sind – dagegen wehren sich die Bauern auch zurecht. Das sollte man wirklich differenzieren. Was ich eher sorgenvoll betrachte, ist, was für eine Form von Diskurs da geführt wird. Der ist sehr polarisierend, es wird teilweise persönlich attackiert, es geht immer ums Ganze.
NDR Kultur, 8.1.2024: Bauernproteste: Konfliktforscher fürchtet Verschiebung nach rechts
Felix Anderl (Uni Marburg)
Wir erleben eine Zuspitzung von Erzählungen, die schon länger etabliert sind. Erzählungen wie: “ Das Volk muss sich wehren.“ Wir sehen eine feindbildhafte Wahrnehmung von Politik und Politikern, eine Zuspitzung auf Grünen-Politiker und die Ampel. Es ist nicht beliebig, wen es trifft.
Freie Presse, 6.1.2024: Was ein Sozialforscher zu den Bauernprotesten sagt: „Es lag ein bisschen in der Luft“
Alexander Leistner (Uni Leipzig)
Es gibt verschiedenste Gruppen, die jetzt mobilisieren. Und viele davon reklamieren für sich, für „die Bauern“ zu sprechen. Das sollten wir nicht so akzeptieren, sondern man muss genau hinschauen, wer da was macht.
zdf heute, 5.1.2024: Konfliktforscher: Es gibt nicht den einen Bauernprotest
Felix Anderl (Uni Marburg)
Wenn sich die Proteste nicht mehr um die Behebung von konkreten, greifbaren Missständen drehen, sondern wenn sich eine generelle Wut gegen „die da oben“ aufstaut, dann wird es problematisch, weil es das Vertrauen in die Demokratie und deren Fähigkeit zu friedlichen Problemlösungen untergräbt. Und da werden dann auch Menschen, die eigentlich gar keine rechte Gesinnung haben, sondern aus einem anderen Grund bei einer Demo sind, allmählich infiziert.
Allgäuer Zeitung, 4.1.2024: Forscher zu Bauern-Protesten: „Politisch sehr schwer einsortierbar“
Dieter Rucht (WZB)
Die Proteste der Bauern und der Klimaaktivisten werden in der Bevölkerung völlig unterschiedlich wahrgenommen. Protestforscher Teune beschreibt das so: Während die Proteste der Bauern als „wütend“ beschrieben würden und anerkannt würde, dass deren „Existenz bedroht“ sei, würde das Anliegen der Klimaaktivisten, „das existenzbedrohende Ausmaß der Klimakrise zu thematisieren“, nicht so breit anerkannt. Deren Proteste würden oft als „rücksichtslos“ empfunden.
BR24, 21.12.2023: Letzte Generation versus Bauern: Gute und schlechte Blockierer?
Simon Teune (FU Berlin)