Einheit und Varianz im polizeilichen Umgang mit Gipfelprotesten. Globale Entwicklungstendenzen und lokale Konfliktstrukturen
Panel des AK „Soziale Bewegungen und Polizei“ im Rahmen der ipb-Jahrestagung zum Thema „Der Kontext lokaler Proteste“, 9./10.November 2018 am Zentrum Technik und Gesellschaft, TU Berlin, Organisation: Daniela Hunold und Peter Ullrich
Der G20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017 wurde zum Medienereignis, jedoch weniger wegen der Ergebnisse des Gipfels oder der Großdemonstrationen, sondern aufgrund der gewaltförmigen Eskalationen im Laufe der Protestwoche. Eine emotionale öffentliche Diskussion schloss sich an, u.a. über die Frage nach dem politischen (Nicht-)Gehalt der Riots. Schnell wurde Maßnahmen gegen die linksradikale Szene und autonome Zentren gefordert. Starke Kritik erfuhr auch die Polizei angesichts einer großflächigen Protestverbotszone, der konsequenten Verhinderung von Protestcamps und wegen vieler dokumentierter Fälle illegaler Polizeigewalt.
Die Ereignisse in Hamburg haben damit grundsätzliche Fragen nach dem sicherheitsbehördlichen Umgang mit Protesten und in sozialwissenschaftlicher Hinsicht nach den wesentlichen Erklärungsfaktoren für angewendete Einsatzkonzepte aufgeworfen. Auf der Suche nach Erklärungen für die Eskalationen in Hamburg bieten sozialwissenschaftliche Diskussionen aus Kriminologie sowie Protest- und Gewaltforschung heterogene Anknüpfungspunkte. Dementsprechend kann die harte Linie der Polizei als Ausdruck von neuen – womöglich krisenbezogenen (Kretschmann 2014, Ullrich 2012) – autoritären Tendenzen im Umgang mit Protest in westlichen Ländern betrachtet werden, welche die im Verlauf der 80er Jahre erreichten Liberalisierungen (pragmatischer Einsatzstil, Deeskalation) zugunsten einer seit Jahren bei Gipfelprotesten international beobachtbaren „Militarisierung des protest policing“ (Wood 2014, vgl. a. della Porta et al. 2006) umkehren.
Die polizeiliche Performanz ist daneben aber eingebettet in regionale und lokale Kontexte wie z.B. die Beziehungen zu anderen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren, das lokale sicherheitspolitische Klima (Teune 2017) bzw. „lokale Kontrollkulturen“ (Ostermeier 2008) sowie die geteilte Konflikthistorie verschiedener Akteursgruppen und die mitunter damit verknüpften Raumordnungskämpfe (Naegler 2013). Andere Autor*innen, insbesondere in der neueren Gewaltforschung, betonen wiederum die hohe Strukturierungskraft kleinsträumiger Situationsdynamiken (Nassauer 2016).
Vor diesem Hintergrund sollen im Panel Entwicklungen im protest policing bzw. summit policing allgemein sowie insbesondere mit Blick auf die Hamburger Ereignisse diskutiert werden, wobei die Frage nach dem (Nicht-)Zusammenwirken großräumiger (bis hin zu transnationalen) und niedrigskaliger (lokaler) Entwicklungen und Dynamiken im Zentrum der Analyse steht. Folgende Fragen und Themenkomplexe sind hierbei u.a. von Interesse:
– Welchen Entwicklungstendenzen unterliegt das protest policing, insbesondere das summit policing weltweit, in Europa, in Deutschland und in einzelnen Kommunen?
– In welchem Verhältnis stehen globale, nationale, lokale u.a. Faktoren im Protest Policing zueinander? Wie kann die konzeptuelle Lücke zwischen den eher politikwissenschaftlich
geprägten Makro-Ansätzen und den situationsfokussierten, interaktionistischen Mikroansätzen überbrückt werden?
– Inwiefern lassen sich die Ereignisse in Hamburg mit anderen Großprotesten im Hinblick auf lokale und nationale/transnationale Dynamiken sowie soziale Ordnungen vergleichen?
– Wie entwickeln sich Deutungsmuster zu Protest und Protestgruppen im öffentlichen und sicherheitsbehördlichen Diskurs? Welche Bezugsräume haben diese Diskursfelder angesichts
transnationaler Sicherheitskooperationen?
Wir bitte um Einsendung von Abstract von bis zu einer Seite Länge an die Organisator*innen bis zum 15.9.2018. Die Benachrichtigung über Aufnahme des Papers (u.U. nach Absprache auch in ein anderes Panel der Konferenz) erfolgt voraussichtlich bis Ende September.
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