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Deutschlands Zivilgesellschaft in der Corona-Pandemie – Working Paper 3.2021 erschienen

Das ipb working paper 3.2021 ist erschienen:

Hutter, Swen; Teune, Simon; Daphi, Priska; Nikolas, Ana-Maria; Rößler-Prokhorenko, Charlotte; Sommer, Moritz; Steinhilper, Elias; Zajak, Sabrina. 2021. Deutschlands Zivilgesellschaft in der Corona-Pandemie. Eine Befragung von Vereinen und Initiativen.

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Das Working Paper präsentiert Ergebnisse einer Organisationsbefragung zur Auswirkung der COVID-19 Pandemie auf Vereine und Initiativen in Deutschland. Die Studie zeigt, dass die Zivilgesellschaft in der ganzen Breite mit großer Wucht getroffen wurde. Viele Organisationen mussten ihre Aktivitäten einschränken oder ganz einstellen. Dabei konnten sich bestimmte Organisationsformen besser anpassen und ihre Handlungsfähigkeit aufrechterhalten. Dies könnte nachhaltige Auswirkungen auf die Struktur der post-pandemischen Zivilgesellschaft in Deutschland haben.

Wichtigste Ergebnisse

  • Um die Lage zivilgesellschaftlicher Organisationen in der COVID-19 Pandemie zu erfassen, führte das von der Berlin University Alliance geförderte Forschungsprojekt „Solidarisches Verhalten bei der Krisenbewältigung“ (SoZiv) zusammen mit dem Institut für Protest- und Bewegungsforschung eine Online-Befragung von 1.066 eingetragenen Vereinen und informellen Initiativen in 55 Orten Deutschlands durch. Damit liegt erstmals eine systematische Untersuchung der Situation der Zivilgesellschaft in der Corona-Krise vor, die auch informelle Initiativen einbezieht.
  • Die Corona-Krise hat die gesamte Zivilgesellschaft schwer getroffen: es lassen sich nur wenige Unterschiede zwischen informellen und formellen Organisationen, zwischen den verschiedenen Themen- und Tätigkeitsfeldern, Stadt und Land, Ost und West finden.
  • Fast drei Viertel der Organisationen berichten von negativen Auswirkungen der Pandemie auf ihre Arbeit. Ebenso viele mussten ihre Haupttätigkeit im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 einschränken oder ganz einstellen. Jede achte Organisation hatte ihre Haupttätigkeit bis zum Zeitpunkt der Befragung im Winter 2020 noch nicht wieder aufgenommen. Knapp die Hälfte der Organisationen berichtet von negativen wirtschaftlichen Folgen.
  • Neben der starken Bremswirkung der Pandemie kam es wie in vielen Krisen zuvor auch in der Corona-Krise zu einer zivilgesellschaftlichen Aktivierung. 40 Prozent der Organisationen haben Krisenhilfe für Betroffene angeboten und fast jede fünfte Organisation im Bereich der sozialen Unterstützung war im Sommer 2020 sogar aktiver als im Jahr 2019.
  • Die Betroffenheit durch die Krise hängt von Möglichkeiten der Digitalisierung ab. Organisationen, die in der Lage waren, ihre Arbeit schnell in digitale Formate zu überführen, schätzen die mit der Krise einhergehenden Einschränkungen als deutlich weniger stark ein.
  • Die Wucht der Krise hängt auch davon ab, wie zivilgesellschaftliche Akteure organisiert sind. Rein ehrenamtlich organisierte Vereine sind die am stärksten betroffene Organisationsform. Sie berichten eher von negativen Auswirkungen, sie werden stärker ausgebremst und haben häufiger mit den wirtschaftlichen Folgen der Krise zu kämpfen als Vereine, die über hauptamtliche Mitarbeiter:innen verfügen. Auch informelle Initiativen kommen besser durch die Krise als die Gruppe der ehrenamtlich organisierten Vereine. Im Vergleich der drei Gruppen gelingt es diesen losen Zusammenschlüssen am besten, sich mit der digitalen Neuausrichtung in der Pandemie zurechtzufinden.
  • Der zentrale Einflussfaktor für die Krisenauswirkungen ist das Tätigkeitsfeld. Die Kontaktbeschränkungen haben sich vor allem auf jene Organisationen ausgewirkt, die auf das Zusammenkommen Vieler angewiesen sind, etwa in den Bereichen Sport und Freizeit, oder deren Handlungsfeld sich nicht ohne Weiteres in den digitalen Raum verlagern lässt. Das trifft auf verschiedene Tätigkeiten überwiegend in den Bereichen Kultur und Freizeit aber auch Protest sowie Bildung und Beratung zu.
  • Kooperationen stärken die Resilienz zivilgesellschaftlicher Organisationen. Für die Zusammenschlüsse, die vielfältige Netzwerke mit Partner:innen in unterschiedlichen Sektoren haben, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie selbst in der Krise Unterstützung bekommen. Anders herum fehlt gerade kleinen Initiativen ohne Budget der Zugriff auf Unterstützungsleistungen. Resilienz erweist sich also auch als Ressourcenfrage.

Übersicht der ipb working papers

Foto „Hieroglyphs of social distancing“ von Visavis @Flickr.com, Creative Commons CC BY-NC-ND 2.0

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