Peter Ullrich in der Jungen Welt

[Die Aufgabe der Protest- und Bewegungsforschung] ist es, den Gegenstand ernst zu nehmen. Nehmen wir erneut das Beispiel der Montagsmahnwachen. Da gab es eine heiße Debatte. Die einen sagten, das ist ein rechtsradikaler Antisemitenhaufen, die anderen sagten, das ist die neue Friedensbewegung, ein Hoffnungszeichen, das die Linke endlich wieder nach vorne bringt. Wir haben gesagt, wir schauen uns das mit unserer Erfahrung bei den Demonstrationsbefragungen genauer an. Wir konnten zeigen, dass die Bandbreite politischer Positionen von humanistischem, linkem Gedankengut und Neigungen zu rechtslastigen Verschwörungsdeutungen dort tatsächlich anzutreffen war. Es gab eine Gleichzeitigkeit von sehr unterschiedlichen Aspekten. [… ] Unserer Resultate unterschieden sich daher von der politischen Diskussion, bei der bestehende Deutungsschablonen dem Phänomen Montagsmahnwachen regelrecht aufgezwungen wurden, statt genau hinzusehen, wer da wie tickt. Eine Protest- und Bewegungsforschung, wie ich sie vertrete, dient der Aufklärung über soziale Prozesse.

Junge Welt, 5.8.2017: »Der Protestforscher ist eher links bis linksliberal«. Gespräch mit Peter Ullrich. Über die Widrigkeiten im Wissenschaftsbetrieb und die Gefahren der Vereinnahmung der eigenen Forschungen durch den Staat