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Selektivität im Protest Policing: Gruppen, Situationen, Kontexte – Workshopbericht des ipb-AKs Soziale Bewegungen und Polizei

Nicht erst seit das Gipfeltreffen der politischen Vertreter der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) auf das Schlagwort Hamburg zusammengeschrumpft ist, dessen Prädikate gewalttätige Ausschreitungen von Demonstrierenden, Polizeigewalt, Einschränkungen der Pressefreiheit und noch weit mehr umfassen, sind folgende Fragen offen: Wer sind diejenigen, die ihren Protest mit unterschiedlichsten Mitteln auf die Straße tragen? Wie werden diese von der Polizei wahrgenommen – und folgt daraus eine selektive Ungleichbehandlung? Welche Strategien, Taktiken und Methoden folgen daraus für diese Institution – und wie legitimieren sie sich (nicht)? Und schließlich: welche Probleme folgen daraus, und wie lassen sie sich ggf. beheben? Daher fand am 13. Oktober 2017 am Centre Marc Bloch der HU Berlin ein Workshop des Arbeitskreises „Soziale Bewegungen und Polizei“ und des ipb statt, um der Selektivität im Protest Policing sowie weiteren Fragen, auch im Lichte Hamburgs, nachzugehen. Der Workshop wurde von Daniela Hunold, Andrea Kretschmann und Peter Ullrich organisiert.

PHILIPP KNOPP trennte heuristisch verschiedene Strategien Protestierender im Umgang mit Videoüberwachung, die sich von militanter Ablehnung bis hin zum vorauseilenden Gehorsam erstreckten. Videoüberwachung bringe ihrerseits nichtintendierte Effekte sowohl aufseiten der Polizei als auch aufseiten der Demonstrierenden hervor. MORITZ SOMMER und SIMON TEUNE präsentierten die vorläufigen Ergebnisse ihrer Befragung von Demonstrierenden auf dem G20-Gipfel. Insbesondere konnten sie eine stärker negative Bewertung des polizeilichen Handelns am Ende der Proteste als noch am Anfang feststellen. PETER ULLRICH stellte daran anschließend zwölf Thesen zu den NoG20-Protesten auf: Dabei legte er den Fokus auf das eskalative und bisweilen unprofessionelle Verhalten der Polizei, weshalb nicht zuletzt die Einrichtung einer unabhängigen Untersuchungskommission vonnöten sei. STEPHANIE SCHMIDT referierte im Anschluss daran die Schwierigkeiten, vor welche ethnographische Feldforschung bei Protesten im Allgemeinen und während der Gipfelproteste in Hamburg im Besonderen gestellt ist. Dabei sei das größte Problem der unsichere rechtliche Status der forschenden als auch ihrer erhobenen Daten. RAFAEL BEHR konstatierte in seinem Vortrag eine Tendenz zur Militarisierung der Polizei. Sowohl hinsichtlich ihrer Taktiken, des Equipments und des Selbstverständnisses als auch der Ikonographie ließe sich eine betont kämpferische Aufrüstung der Polizei beobachten. MICHAEL PLÖSE schloss den Workshop mit einem Vortrag zu den Möglichkeiten einer Reform der Polizei sowie dabei auftretender Probleme ab. Während das polizeiliche Selbstverständnis als einer ‚missverstandenen Institution‘ bisweilen viele Reformversuche unterminiere, sei es nichtsdestoweniger geboten, unabhängige Beschwerdestellen zu schaffen.

 

Autor und AK-Mitglied Roman Thurn hat für das Netzwerk Surveillance Studies ebenfalls einen Workshopbericht verfasst. Dieser ist auf surveillance-studies.org zu lesen.

Bild: Montecruz Foto @ Flickr, Creative Commons 2.0

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