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Klimaproteste in Deutschland – wenig Abgrenzung zwischen den Protestgruppen

Neue Pressemitteilung zur Befragung des Klimastreiks 2023 durch Autor*innen des ipb

Haunss, Sebastian; Daphi, Priska; Dollbaum, Jan Matti; Grimm, Jannis; Meier, Larissa (25.04.2022): Klimaproteste in Deutschland – wenig Abgrenzung zwischen den Protestgruppen. 


Am 3. März hatte Fridays for Future in 240 Städten in Deutschland zu Klimaprotesten aufgerufen. Forscher:innen des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung hatten auch dieses Mal wieder an einzelnen Orten (Berlin und Bremen) die Teilnehmer:innen der Demonstration nach ihren Motiven und Einstellungen befragt. Dabei haben wir weitgehend den gleichen Fragebogen genutzt, mit dem wir auch schon im Jahr 2019 in den selben Städten die Demonstrationsteilnehmer:innen an den Klimaprotesten befragt hatten.1 Durch die wiederholten Befragungen im März und November 2019 und im März 2023 können wir sehen, wie sehr sich die Zusammensetzung der Teilnehmer:innen und ihre Einstellungen seit den ersten großen Demonstrationen verändert haben. In der aktuellen Befragung haben wir zudem gefragt, wie die Teilnehmer:innen an den Fridays for Future Demonstrationen zu den Aktionen der anderen Klimaprotestgruppen stehen, insbesondere zu den Aktionen der Letzten Generation und von Extinction Rebellion.

Wer hat am 3. März demonstriert?

Nach wie vor beteiligen sich mehr Frauen als Männer an den Klimaprotesten von Fridays for Future. Aktuell waren 55,9 Prozent der Demonstrierenden weiblich. Die Quote war im März 2019 mit 58,8 Prozent noch etwas höher, lag im November 2019 aber mit 53,1 Prozent leicht unter dem aktuellen Wert. Verändert hat sich aber die Alterszusammensetzung: Waren im März 2019 noch über die Hälfte der Teilnehmer:innen unter 18 Jahre alt, trifft dies im März 2023 nur noch für knapp 10 Prozent der Demonstrant:innen zu. Diese Verschiebung liegt nicht nur daran, dass die, die 2019 demonstriert haben, inzwischen einfach alle vier Jahre älter geworden sind. Die Alterszusammensetzung der Demonstrant:innen hat sich insgesamt deutlich verändert, so dass aktuell knapp die Hälfte der Demonstrierenden über 35 ist.

Bei der Frage, auf wen man sich am ehesten bei der Lösung der Klimaprobleme verlassen könne, steht die aktuelle Ampel-Koalition ein klein wenig besser da als die Große Koalition im Jahr 2019, statt 86 trauen nur noch 77 Prozent der Demonstrant:innen ihr keine Lösungskompetenz zu. Markt und Unternehmen schneiden dagegen noch einmal deutlich schlechter ab als 2019. Die Hoffnung in die Wissenschaft ist noch einmal leicht gewachsen.

Abbildung 1: “Bei der Lösung unserer Umweltprobleme kann man sich verlassen auf …”

Deutlich abgenommen hat dagegen die Hoffnung, durch freiwillige Änderungen des eigenen Lebensstils zur Lösung der Klimakrise beitragen zu können. Waren im März 2019 noch fast die Hälfte der vor allem jugendlichen Demonstrant:innen von dieser Möglichkeit überzeugt, sind aktuell nur noch ca. 15 Prozent der mittlerweile deutlich älteren Demonstrierenden von dieser Option überzeugt.

Verhältnis zu anderen Klimaprotesten

Inzwischen sind Fridays for Future längst nicht mehr die einzigen, die für mehr Klimaschutzmaßnahmen protestieren. Erst Extinction Rebellion und in letzter Zeit die Aktivist:innen der “Letzten Generation” konkurrieren zunehmend mit FFF um mediale Aufmerksamkeit. Wie stehen die verschiedenen Proteste zueinander? Wir haben die Teilnehmer:innen an den Fridays for Future Demonstrationen im März 2023 auch gefragt, wie sie zu den Protestformen der anderen Klimaprotestgruppen stehen. Dabei zeigt sich, das die oft in den Medien beschworene Konkurrenz oder gar Gegnerschaft zwischen den verschiedenen Gruppen für die meisten Teilnehmer:innen an den Fridays for Future Protesten nicht besteht. Zu den aktuell heiß diskutierten Verkehrsblockaden der Letzen Generation sagen immerhin knapp 23 Prozent, dass sie sich auch an solchen Aktionen beteiligen würden. Weitere 62 Prozent finden die Aktionsform gut, würden sich aber selbst nicht daran beteiligen. Noch größer ist die Zustimmung zur Besetzung von Gebäuden oder Bäumen, um gegen den Braunkohletagebau zu protestieren: Knapp 21 Prozent würden sich an diesen Aktionsformen beteiligen, nur 3,7 Prozent lehnen sie ab. Farbe oder Lebensmittel auf Kunstwerke zu werfen stößt dagegen bei knapp 60 Prozent auf Ablehnung. Noch weniger Zustimmung finden gewaltsame Aktionen. Sabotage von Infrastruktur für fossile Energieträger findet allerdings bei über der Hälfte der Demonstrant:innen Unterstützung.

Tabelle 1: Legitimität von Aktionsformen

würde ich machenfinde ich gut,
würde ich aber nicht machen
lehne ich ab
Verkehrsblockaden22.9%62.2%14.9%
Besetzung von Gebäuden oder Bäumen um gegen den Braunkohletagebau zu protestieren20.9%75.4%3.7%
Farbe oder Lebensmittel auf Kunstwerke4.0%36.6%59.4%
Widerstand gegen gewalttätiges Vorgehen der Polizei27.9%55.1%17.0%
Gewaltsame Aktionen, um dem Protest Gehör zu verschaffen4.3%14.9%80.8%
Sabotage von Infrastruktur für fossile Energieträger (z.B. Pipelines, Kohlebagger, etc.)8.7%42.9%48.4%

Tatsächlich teilgenommen an Aktionen der anderen Protestgruppen “Extinction Rebellion”, “Letzte Generation”, “Ende Gelände” oder “Just Stop Oil” haben immerhin gut 20 Prozent der Protestierenden. Dabei gibt es die größte Überschneidung mit Extinction Rebellion und Ende Gelände mit jeweils etwa 11 Prozent.

Anmerkungen:

1 Die Befragungen im Jahr 2019 wurden durchgeführt von: Dieter Rucht, Sabrina Zajak, Sebastian Haunss, Simon Teune, Moritz Sommer (März 2019), Sebastian Haunss (Bremen, November 2019), Michael Neuber und Beth Gharrity Gardner (Berlin, November 2019).

Foto: Stephan Müller (CC-BY 2.0), bereitgestellt unter: https://www.flickr.com/photos/stefan-mueller-climate/52725617114/.

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