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Fridays for Future – Zwischenbilanz eines Höhenflugs

Der folgende Text von Dieter Rucht und Moritz Sommer erschien in einer redaktionell bearbeiteten und gekürzten Version in der Zeitschrift Internationale Politik in der Ausgabe Juli/August 2019. 


Fridays for Future (im Weiteren F4F) muss man nicht mehr vorstellen. Diese politische Kampagne ist in mehrfacher Hinsicht erstaunlich. Wie kann es sein, dass eine Gruppierung, die überwiegend von politisch wenig erfahrenen Schüler*innen getragen wird und in der schon länger bestehende Organisationen nur eine randständige Rolle einnehmen, binnen kurzer Zeit einen derart phänomenalen Aufstieg erlebt? Immerhin ist die Kampagne in vielen Ländern präsent und ihre Vertreter*innen – allen voran Greta Thunberg – sprechen auf nationalen und internationalen Konferenzen; sie vermag zu herausgehobenen Anlässen allein in Deutschland mehrere hunderttausend Teilnehmer*innen auf die Straße zu bringen; sie hat eine außerordentliche Medienpräsenz erlangt, ein sehr erfolgreiches Agenda-Setting betrieben und wird von einer breiten Welle der Sympathie getragen. F4F politisiert vor allem Teile der Jüngeren. Wahrscheinlich steigert ein derartiges Engagement in jungen Jahren das generelle Interesse an gesellschaftlichen und politischen Fragestellungen und wirkt sich auf das spätere Engagement aus (Oesterle et al. 2004). Ob F4F auch greifbare Resultate in der Klimaschutzpolitik erzielt, bleibt abzuwarten. Für die Protest- und Bewegungsforschung bietet die Kampagne insofern eine Herausforderung, als sich an diesem Fall die Tauglichkeit und die Grenzen gängiger Erklärungskonzepte kritisch überprüfen lassen.

Erklärungsversuche

Einzelne Politiker*innen und Journalist*innen haben meist ad hoc diverse Erklärungen für den kometenhaften Aufstieg der Kampagne angeboten. In diesem Zusammenhang werden vor allem fünf Faktoren genannt: (1) Greta Thunberg als ein Rollenmodell, (2) die Attraktivität des Protests als einer Sache von „Schulschwänzer*innen“, (3) die Anziehungskraft schlichter Forderungen an einen in seiner Komplexität schwer zu durchschauenden Politikbetrieb, (4) die Mobilisierungseffekte von auf digitaler Kommunikation beruhenden sozialen Netzwerken und (5) die Rolle von externen „Strippenzieher*innen“, welche die jungen und unbedarft erscheinenden Protestierenden vermeintlich manipulieren. Für jede dieser Deutungen ließen sich vereinzelte Belege beibringen. Allerdings, so unsere These, handelt es sich um Erklärungen, die, zumal wenn monokausal präsentiert, wenig erhellen und wichtige Faktoren außer Acht lassen. Demgegenüber betonen wir das Zusammenwirken von Faktorenbündeln, die sich nur teilweise mit den angedeuteten ad hoc-Erklärungen berühren. Dabei blicken wir in erster Linie auf den deutschen Fall.

Der vorhandene (Resonanz-) Boden

Die Klimapolitik als drängendes, aber politisch umstrittenes Feld wurde über die engeren wissenschaftlichen wie politischen Fachkreise hinaus immer mehr auch in der breiten Öffentlichkeit diskutiert. Dazu beigetragen haben Befunde und Warnungen des Weltklimarats und nationaler Forschungseinrichtungen, enttäuschte Erwartungen an frühere Klimakonferenzen (insbesondere Kopenhagen 2009), der globale Durchbruch auf der Pariser Klimakonferenz von 2015, aber auch die Leugnung des Klimawandels durch US-Präsident Trump und seine Entscheidung, aus dem Pariser Abkommen auszusteigen – eine Position, die von mehreren rechtspopulistischen Parteien, so auch der AfD, geteilt wird. Damit wurde die öffentliche Aufmerksamkeit und der Streit um die Klimaproblematik zum Dauerbrenner.

Die Resonanz des Klimathemas in Deutschland verdankt sich auch dem Sachverhalt, dass hierzulande eine relativ starke, gut organisierte Ökologiebewegung besteht, die mit dem politisch beschlossenen und bis 2022 zu vollziehendem Ausstieg aus der Atomkraft eines ihrer zentralen Ziele erreicht hat und damit frei gewordene Energien im Sinne eines movement spillover (Meyer & Whittier 1994) auf ein anderes Terrain lenken konnte. Zusätzlich mobilisiert das Thema Klimaschutz aber auch politisch eher konservativ gestimmte Kräfte innerhalb wie außerhalb der Ökologiebewegung, für die sich eine ganze Reihe von Anknüpfungspunkten bietet, angefangen vom Artensterben bis zur Ausbreitung von Wüstengebieten.

Verstärkt wurde die Aufmerksamkeit für die Klimafrage durch den Streit um den weiteren Abbau von Braunkohle in den noch verbleibenden Tagebaustätten Deutschlands. Insbesondere der Konflikt um das Hambacher Kohlerevier entwickelte sich zum Brennpunkt, der in Verbindung mit Platzbesetzungen und Massendemonstrationen im Herbst 2018 bundesweite Aufmerksamkeit erregte. Ausgehend von diesem lokalen Konflikt mit seinem symbolträchtigen Kern, dem Kampf um die Erhaltung einer Waldfläche, ließ sich unschwer ein Bogen spannen zu Fragen der nationalen Energiepolitik und schließlich der globalen Klimaschutzpolitik. Es war dieser lokale Konfliktherd, der vermutlich zur Einsetzung der Kohlekommission durch die Bundesregierung und zu dem Beschluss beigetragen hat, bis 2038 auf den Energieträger Braunkohle zu verzichten. Zeitgleich zu diesen Vorgängen entwickelte sich, ausgehend vom sog. Dieselskandal, eine grundsätzliche Debatte um die künftige Verkehrspolitik, die Besteuerung unterschiedlicher Energieträger und die Förderung energietechnischer Innovationen, die ebenfalls Brückenschläge zur Klimaschutzpolitik und Klimabewegung erlaubte. Mit diesen Entwicklungen war insbesondere in Deutschland der Boden für eine Kampagne wie F4F bereitet. Für ihre ganz spezifische Form als einer primär von Schüler*innen getragenen Initiative bedurfte es freilich auch eines ganz spezifischen Auslösers.

Der Zünder Greta Thunberg

Der zunächst durchgängige, dann wöchentliche „Schulstreik“ der Schwedin Greta Thunberg war für die an „personal stories“ interessierten Massenmedien aus mehreren Gründen von großem Interesse. Zum ersten fand hier die Konstellation von David gegen Goliath einen sinnfälligen Ausdruck. Zum zweiten agierte Thunberg, wenngleich nicht ohne das Wohlwollen der Eltern, (zunächst) im Alleingang. Zum dritten erstaunte Thunberg durch die paradoxe Verbindung eines kindlichen Erscheinungsbildes mit einem selbstbewussten, aber keineswegs selbstverliebten Auftreten. Dem journalistischen Faszinosum Thunberg war somit bald internationale Aufmerksamkeit garantiert, wobei sich traditionelle und digitale soziale Medien wechselseitig verstärkten.

Ihre eigene Generation sprach Thunberg in einer dreifachen Rolle an: als eine verletzlich wirkende junge Person, als eine Schülerin, die sich ihrer bis zum 16. Lebensjahr geltenden Schulpflicht im Namen eines höheren, die gesamte Menschheit betreffenden Ziels demonstrativ verweigert, und als eine kompromisslose Mahnerin, die nicht nur den politischen und ökonomischen Eliten, sondern den Erwachsenen insgesamt ins Gewissen redet. Ihre medienwirksamen Auftritte hatten insofern eine motivierende Wirkung, als dass sie die Bedeutung jugendlichen Engagements auch für bisher wenig politisch interessierte Schüler*innen verdeutlichten. Damit konnte der von ihr ausgehende Funke vor allem auf Angehörige ihrer Generation überspringen, erfasste aber auch jenen Teil der Erwachsenen, die entweder ohnehin von der Notwendigkeit einer Klimaschutzpolitik überzeugt waren oder aber sich von Thunberg, die Handlungskonsequenz vorlebte und von anderen forderte, als Klimasünder ertappt fühlten.[1]

Die konkrete Zielsetzung

Für die verbal bekundete wie handlungspraktische Unterstützung von F4F war es hilfreich, dass die Kampagne von ihren Anfängen bis heute an ihrer relativ engen Zielsetzung, der Einhaltung des Pariser Abkommens zum Klimaschutz, festhielt. Im Unterschied zu vielen anderen Bewegungen widerstand die Kampagne damit der Versuchung, ihren Themen- und Zielkatalog durch immer weitere und grundsätzlichere Forderungen mit der Gefahr anzureichern, sich dabei zu verzetteln, weitere Akteure mit anderen Vorstellungen einbinden zu müssen und sich selbst durch ideologische Grundsatzdebatten, die oft zu internen Fraktionierungen führen, zu lähmen.

Ein weiterer Vorteil dieser Zielsetzung besteht darin, dass F4F nicht wie manch andere Protestbewegungen als Koalition der Neinsager – Niklas Luhmann sprach vom „Njet-Set“[2] – wahrgenommen wird, sondern in erster Linie auf der Einhaltung von Zielen beharrt, auf die sich die internationale Staatengemeinschaft bereits vertraglich verpflichtet hat.[3] Damit spielt sie den Ball den Entscheidungsträger*innen zu und offenbart deren mangelnde Handlungsbereitschaft in der Klimapolitik. Der ganz unbescheidene Gestus der „Rettung der Zukunft“, der alle Menschen adressiert, ist dabei verbunden mit der systemimmanent und pragmatisch erscheinenden Forderung, den Anstieg der Erderwärmung bis zu einem absehbaren Datum auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen. Wie das zu erfolgen hat, bleibt der Politik überlassen. Es handelt sich somit um ein weitgehend konsensträchtiges Anliegen, das in seiner Konkretion des Allgemeinen wenig Raum für bitteren Streit bietet. Insbesondere werden Fragen der politischen und ökonomischen Machtverteilung und der gesellschaftstheoretischen Rechtfertigung von partikularen und universellen Interessen ausklammert.

Effektive Organisationsstruktur

In organisatorischer Hinsicht entstand F4F gleichsam aus dem Nichts. Es gab keine bestehende Organisation oder gar ein Bündnis von solchen, die die Kampagne ins Leben gerufen hätte. Darin ähnelt F4F den Occupy-Bewegungen in einigen westlichen Ländern und auch Pulse of Europe. Anders als Occupy, das sich zumindest in Deutschland jeglicher Form der Organisation und Delegation kategorisch verweigerte (und mit aus diesem Grund keinen Bestand hatte; vgl. Rucht 2013), entwickelte F4F eine lockere und informelle Struktur und entsprach zudem dem Verlangen der Medien nach „Vertreter*innen“, „Sprecher*innen“ oder zumindest „Gesichtern“ der Bewegung. Das war für die öffentliche Präsenz der Initiative enorm hilfreich, sorgte aber auch für internen Konfliktstoff, da sich manche Aktivist*innen benachteiligt fühlten und Kritik daran laut wurde, dass immer derselbe kleine Kreis von Personen die Kampagne nach außen hin vertrat.[4]

Neben der aus wenigen Personen bestehenden Kerngruppe, die mit Luisa Neubauer immerhin eine organisationserfahrene Person aufweist, entstanden innerhalb des deutschen Netzwerks schon früh sich selbst rekrutierende und arbeitsteilig vorgehende Organisationsteams auf nationaler und teilweise auch auf lokaler Ebene. So bestehen beispielsweise Arbeitsgruppen für Auslandskontakte, Grundsatzdiskussionen, Medienarbeit und Strukturfragen. Diese Teams wie auch die Delegierten der inzwischen knapp 200 Ortsgruppen kommunizieren unter- und miteinander vorwiegend über das Medium WhatsApp und auch in Telefonkonferenzen, kommen fallweise aber auch direkt zusammen.

Auf Landes- und stärker noch auf Ortsebene bieten Organe und Strukturen der Schülermitverwaltung eine wichtige Rolle bei der Organisation, Entscheidungsfindung und Protestmobilisierung. Hier haben sich viele Schulsprecher*innen das Anliegen von F4F zu eigen gemacht und übernehmen Funktionen im Dienste der Kampagne.[5] Insoweit kann sich F4F zwar nicht auf thematisch einschlägige, aber eben auf an allen Schulen bestehende Strukturen stützen, die formal legitimierte und meist auch wortgewandte Vertreter*innen aufweisen. Ähnlich wie Fabriken und Universitäten sind Schulen „soziale Relais“ (Ohlemacher 1993), die sich als Orte täglicher Begegnung, des Gedanken- und Erfahrungsaustausches in hervorragender Weise auch für Zwecke der Protestmobilisierung eignen, allerdings kaum externe Gruppen einbeziehen.

Die Charakterisierung von F4F als einer sich selbst generierenden Bewegung von Schüler*innen hat also einen wahren Kern. Sie kommt auch den medialen Präsentationswünschen entgegen, die dieses Bild (über-)zeichnen, indem zum Beispiel auf Fotostrecken vorzugsweise sehr junge Schüler*innen gezeigt werden. Allerdings ergeben die von uns durchgeführten Befragungen und Beobachtungen ein differenziertes Bild hinsichtlich Altersstruktur der Beteiligten. Das Verhältnis von Schüler*innen und Erwachsenen war ungefähr ausgeglichen, wobei festzuhalten ist, dass wir aus forschungsethischen Gründen nur über 13-Jährige befragt haben. Während die Gruppe der 14-19Jährigen mit 52%, gefolgt von der Gruppe der 20-25Jährigen mit 19% am stärksten vertreten ist, war immerhin ein weiteres Fünftel mindestens 36 Jahre alt.

Das Bild einer vollständig selbstorganisierten Kampagne ist zumindest in Teilen auch insofern zu relativieren, als F4F in Deutschland von Anfang an eine logistische Unterstützung durch Organisationen wie Greenpeace, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und Campact fand. Diese waren jedoch strikt darauf bedacht, Zurückhaltung zu üben und die Selbststeuerung der Kampagne zu respektieren. Diese externe Hilfestellung hat zum Höhenflug der Kampagne beigetragen, aber daran, im Gegensatz etwa zur breiten und insgesamt wohlwollenden medialen Berichterstattung, keinen entscheidenden Anteil. Gleiches gilt wohl auch für die externen Anschlussinitiativen (Parents for Future, Scientists for Future, Entrepreneurs for Future etc.), für einzelne Firmen, die kostenlose Dienstleistungen für die Kampagne anboten und für prominente Einzelpersonen, die für die Kampagne eintraten.

Clevere Mobilisierungs- und Medienarbeit

Eine Teilerklärung für die mediale Sichtbarkeit und die F4F entgegen gebrachte mediale Sympathie liegt nicht nur in objektiv gegebenen Nachrichtenwerten, für die prototypisch die Berichterstattung über Greta Thunberg steht, sondern auch in einer insgesamt geschickten Mobilisierungs- und Medienarbeit. Ohne entsprechende logistische Vorleistungen und eine effektive Überzeugungskommunikation wäre es nicht möglich, Woche für Woche an vielen Orten viele Menschen auf die Beine zu bringen und zu Aktionstagen wie dem 15. März 2019 allein in Deutschland Hundertausende zu versammeln. F4F profitiert dabei von seinem jugendlichen Gepräge, aber auch von seiner pragmatischen Herangehensweise, bei der Improvisation gegenüber Perfektion den Vorrang hat. Vieles wird ad hoc, unter Zeitdruck und auf Zuruf geregelt und entschieden. In Abwesenheit formeller Zuständigkeiten treffen diejenigen die Entscheidungen, die viel Zeit investieren und sich, oft vermittelt durch mediale Zuschreibungen, bereits einen Namen gemacht haben.

Diese unabdingbare Organisationsarbeit hätte jedoch nur bescheidene Mobilisierungseffekte, würde sie nicht von wirkmächtigen Deutungsstrategien (framing, siehe Snow et al. 1986) begleitet, die wiederum positiv auf die Motivation der Organisator*innen und sonstigen freiwilligen Helfer*innen zurückwirken. Die Kampagne bietet einfache und resonanzfähige Elemente eines kompletten Framing-Pakets. Das prognostic framing beschwört die dramatischen Folgen eines irreversiblen Klimawandels, welcher einen Verlust einer gesicherten Zukunft mit sich bringen würde. Nichts weniger als das langfristige Überleben der Menschheit steht also auf dem Spiel. Das diagnostic framing richtet sich auf das Versagen gesellschaftlicher und insbesondere politischer Eliten, die – vor allem unter dem Druck mächtiger Wirtschaftsinteressen – das nötige Umsteuern vermissen lassen und nicht einmal bereit oder fähig sind, ihre eigenen, ohnehin nicht sehr weitreichenden Versprechen einzuhalten. Das motivational framing betont die eigene Rolle und Verantwortung, insbesondere die Rolle der jungen Generation, Druck auf die politischen Entscheidungsträger auszuüben, aber auch im alltäglichen Lebensstil und Konsumverhalten sich den Notwendigkeiten anzupassen.[6] Die Protestierenden von F4F sind weder resigniert noch politikverdrossen: Rund 60% der Befragten sind zuversichtlich, dass politische Entscheidungen den Klimawandel eindämmen können.

Es ist vor allem diese Mischung von Katastrophenszenario und Rettungsmission, die in den Aussagen von Vertreter*innen der Kampagne im Mittelpunkt steht und, angesichts der Vorhaltungen manch kritischer Kommentator*innen, die jenen u.a. Blauäugigkeit, mangelnden Sachverstand und die Ideologie eines „Kinderkreuzzugs“[7] vorwerfen, auch Allianzpartner auf den Plan ruft. Selten stieß eine regierungskritische Protestkampagne in Deutschland ein derart breites Wohlwollen; selten gelang es auch einer Protestkampagne, ihr Anliegen binnen kurzer Zeit auf den Spitzenplatz der im Hinblick auf eine anstehende Wahlentscheidung als wichtig erachteten Themen zu heben.[8]

Herausforderungen und Perspektiven

F4F steht trotz und wegen seiner Erfolge vor zahlreichen Herausforderungen, von denen eine, die Schwierigkeit, das Momentum auf Dauer zu stellen, wohl zentral sein dürfte. Wie kann es gelingen, den Druck aufrecht zu erhalten oder gar zu verstärken, um am Ende auch die geforderten politischen Maßnahmen zu erzwingen? Abgesehen von ihren Mobilisierungshöhepunkten am 15. März und am 24. Mai 2019 hat sich der auf den Straßen sichtbare Zulauf bereits abgeschwächt. Die Wiederholung des immer Gleichen wird diesen Trend verstärken. Die Steigerung des Konfliktniveaus durch Aktionen zivilen Ungehorsams, wie sie etwa die Gruppe Extinction Rebellion betreibt, birgt Chancen, aber auch Risiken wie strafrechtliche Verfolgung und ein Ende der breiten Sympathiewelle. Ein baldiges Verschwinden von F4F ist nicht wahrscheinlich. Ob es aber gelingt, der drohenden Auszehrung, Veralltäglichung und Konventionalisierung zu entgehen, ist fraglich bei einer Kampagne, die bei ihren bisherigen öffentlichen Auftritten vor allem vom Kapital ihrer Außeralltäglichkeit lebt.

Literatur

Meyer, David S. & Nancy Whittier (1994): Social Movement Spillover. Social Problems, Vol. 41 (2): 277–298,

Ohlemacher, Thomas (1993): Brücken der Mobilisierung. Soziale Relais und persönliche Netzwerke in Bürgerinitiaven gegen militärischen Tiefflug. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag

Oesterle, S., Johnson, M. K., & Mortimer, J. T. (2004). Volunteerism during the Transition to Adulthood: A Life Course Perspective. Social Forces, Vol. 82(3): 1123-1149.

Rucht, Dieter (2013): Aufstieg und Fall der Occupy-Bewegung. In: Karlheinz Sonntag (Hrsg.), E-Protest: neue soziale Bewegungen und Revolutionen. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, S. 111-135

Snow, David A. et al. (1986): Frame Alignement Processes, Micromobilization, and Movement Participation. American Sociological Review 51 (4): 464-481.

 

[1] In einer Umfrage, die wir und zwei weitere Autor*innen im Rahmen des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung auf den F4F-Demonstrationen am 15. März 2019 in Berlin und Bremen durchgeführt haben, gaben mehr als die Hälfte der befragten Schüler*innen (N=174) und immerhin auch rund 28% der befragten Erwachsenen an (N=178), Greta Thunberg habe ihr Interesse am Klimawandel verstärkt. Ein jeweils ähnlicher Anteil meinte, Thunberg habe die Entscheidung, am 15. März am Klimastreik teilzunehmen, ‚stark‘ oder ‚ziemlich stark‘ beeinflusst.

[3] In unserer Befragung gaben rund 90% der Befragten als zentrales Ziel der Demonstration an, Politiker*innen „unter Druck zu setzen etwas zu ändern“.

[5] Unter den Teilnehmer*innen unserer Demonstrationsbefragung gab fast jede*r fünfte Schüler*in an, aktives Mitglied einer Schülervertretung zu sein. Weitere 7% bezeichneten sich als passives Mitglied.

[6] 60% der befragten Schüler*innen stimmen der Aussage „Um den Klimawandel zu stoppen bedarf es in erster Linie freiwilliger Änderungen des individuellen Lebensstils“ zu.

[7] Siehe z.B. die Äußerungen von WELT-Herausgeber Stefan Aust: „Wie ein moderner Kinderkreuzzug“.

[8] https://www.tagesschau.de/inland/europatrend-101.html (Meldung vom 16.5.2019).

 

Fofo: FridaysForFuture Deutschland © Jörg Farys / WWF @Flickr (CC BY 2.0).

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